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Orongo

Orongo - vom Gründungsmythos und den Vogelmännern

Wir befinden uns am südlichen Kraterrand des Rano Kao. Der Blick auf den Kratersee ist atemberaubend. Er hat einen Durchmesser von 1.600 Metern und man fühlt sich oben ziemlich klein.

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Blick auf den Kratersee des Rano Kao. Foto: Moritz Hertel

Dreht man sich dann um 180 Grad, schaut man genau auf die Szene, die einst mit den Hütten von Orongo und den vorgelagerten Motu-Inseln die Kulisse für den Vogelmannkult bildeten.

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Im Foto sind die drei Motu-Inseln zu sehen. Foto: Peter Hertel

In dieser Geschichte spielt schon der Gott Makemake die entscheidende Rolle.

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Im Gebiet von Orongo findet man heute noch mehrere Darstellungen des einstigen Gottes Makemake. Foto: Peter Hertel

Der Schöpfungsmythos der Osterinsel

Nachdem Makemake die Erde erschaffen hatte, spürte er, dass etwas fehlte. Na da ging es ihm ja wie jedem anderen Gott. 

An jenem Tag soll er sein Spiegelbild im Wasser gesehen haben. Im gleichen Moment landete auf seiner Schulter ein großer Vogel. Im Wasser sah Makemake sein Gesicht mit Flügeln und dem Schnabel des Tieres. Er hauchte dem Spiegelbild Leben ein und der Vogelmensch wurde geboren. 

 

Unzufrieden wie die Götter so sind, wollte Makemake noch ein Wesen schaffen, das reden konnte wie er. Er hauchte einem Stein Leben ein und so wurde der erste Mensch erschaffen. Als Makemake sah, dass der Mann einsam war, erschuf er die Frau. Dann gab Makemake ihnen Rapa Nui als ihr Land. 

Ganz sicher stammen diese Interpretationen von den am Rand des Rano Kao aufgefundenen skulptierten Steinen. Aus der Zeit, in der hier Bildhauer tätig waren, sind uns keine schriftlichen Überlieferungen bekannt.

 

So weit so gut. Interessant, dass Makemake nicht nur Rapanui, sondern gleich die ganze Erde geschaffen hatte. In den jeweiligen Schöpfungsgeschichten der Völker rund um den Globus könnt ihr nachlesen, wer noch alles eine Erde geschaffen haben soll. 

 

Eine Feststellung des aktuellen Umweltschutzes lautet aber: Es gibt leider nur eine Erde!

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Hier eine weitere der zahlreichen Darstellungen eines Vogelmanns am Hang des Rano Kao.

Foto: Peter Hertel

Nun müssen wir noch klären, was es mit den Vogelmännern auf sich hatte:

Nachdem Makemake einst die Seevögel von der Insel verjagen ließ, weil die Insulaner die Eier aßen, nisteten die Vögel auf der vorgelagerten kleinen Insel Motu Nui. Warum der Gott seinen Untertanen nicht die Eiermahlzeit gönnte, bleibt uns unklar. Doch gerade durch dieses Verbot soll sich der Vogelmannkult entwickelt haben. Vielleicht hatte Makemake doch gewusst was er tat.

 

Hier kommt jetzt das „Dorf“ Orongo ins Spiel. Dazu gehören noch 52 kleine, oval förmige Steinhäuser mit engen Eingängen. Orongo liegt auf einer schmalen Klippe der Südwestspitze der Osterinsel. Auf der einen Seite fällt die Steilwand 300 Meter zum Meer hin ab, auf der anderen Seite 200 Meter zum Kratersee des Vulkans Rano Kao. Von hier bietet sich ein überwältigender Blick über den Pazifischen Ozean mit den drei der Osterinsel vorgelagerten Motus-Inseln.

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Im Bild ein Teil des Ruinendorfes Orongo. Foto: Peter Hertel

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So sehen die Zugänge zu den niedrigen Häusern in Orongo aus. Foto: Moritz Hertel

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Mitglieder der deutschen Expedition zeichneten 1882 den Querschnitt eines Orongohauses.

Zeichnung: nach Weisser/Geiseler

Das Dorf diente einst den Teilnehmern am Vogelmannkult solange als Unterschlupf, bis sie die nistenden Vögel entdeckten. Von hier aus starteten die Hopu Manu, die Wettkämpfer, alljährlich zum Wettstreit um das erste Vogelei. Das erzählt allerdings auch wieder eine Legende.

Die Steinhäuser bestehen aus flachen Natursteinplatten, die im Erdreich verankert und ohne Mörtel aufeinander geschichtet sind. Die fensterlosen Häuser haben einen länglich-ovalen Grundriss mit lediglich einem tunnelartigen, etwa 50 Zentimeter hohen Eingang und sind nur kriechend zu besichtigen. Doch das war man ja damals auch von den Eigenheimen gewohnt.

 

Verschiedene Expeditionen führten in den Innenräumen Ausgrabungen durch. Gefunden wurden tatsächlich Gegenstände des täglichen Gebrauches, die beweisen, das hier über eine bestimmte Zeit Menschen gelebt haben. 

 

In einem dieser Häuser wurde auch der kleine Moai gefunden, den die Besatzung des britischen Schiffs HMS Topaze 1869 nach London transportierte. Er ist heute in der Eingangshalle des British Museum in London ausgestellt. Sein Name lautet: Hoa Hakananai'a. Die Darstellungen auf seinem Rücken deuten auf den Vogelmannkult hin.

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Der Moai Hoa Hakananai'a ist eines der interessantesten Ausstellungsstücke im British Museum (London). Die Osterinsulaner möchten ihren Moai aber heute gern wieder zurück haben und kämpfen dafür. Foto: Tim Gernitz

Für den Vogelmannkult sollen zur Brutzeit der Vögel und nach Sichtung der Nester jedes Jahr im Juli, mutige Männer den äußeren Kraterrand des Rano Kao herabgeklettert und bis zur Insel Motu Nui geschwommen sein. Dort angekommen suchten sie die Seevogelnester, entnahmen ein Ei, banden es sich in einem kleinen Körbchen auf die Stirn und schwammen zurück zur Insel. Dort kletterten sie wieder die 300 Meter hohe Kraterwand empor. 

 

Der Häuptling des Stammes, dessen Krieger das Ei brachte, wurde für ein Jahr zum Vogelmann (tangata-manu) ernannt, der neben der Funktion als Oberhaupt auch eine vermittelnde Funktion zwischen den Einwohnern und dem Gott Makemake hatte. 

 

Was schließlich auch wieder typisch war: Nicht der Mann, der sein Leben riskierte, erhielt die Ehre, sondern sein Chef, der möglicherweise die ganze Zeit am Kraterrand in der Sonne saß und es sich gut gehen ließ.

 

Der Vogelmann galt für ein Jahr als besonders heilig. Er genoss große Macht, ihm wurden Zauberkräfte nachgesagt, er lebte aber auch in besonderer Abgeschiedenheit und musste sich zahlreichen Einschränkungen unterwerfen. So durfte er zum Beispiel keine Nahrung mit der Hand berühren. Trotz einiger Nachteile soll der Titel des Vogelmannes sehr begehrt gewesen sein und war mit einem hohen politischen und religiösen Prestige verbunden.

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Auch am östlichen Ende der Häuserreihe sind die Vogelmannzeichen und die maskenähnlichen Gesichter des Makemake-Gottes mit großen, eulenartigen Augen, auf Steinen eingeschlagen.

Foto: Peter Hertel

Dieser Wettbewerb, wurde angeblich von 1500 bis zum Jahr 1867 durchgeführt. Das letzte Datum bestätigt Pater Eyraud, der diesen Wettbewerb noch erlebt haben will. Was er tatsächlich gesehen hat, ist allerdings aus seinen Aufzeichnungen nicht zu erfahren. Wie es meist am Ende solcher angeblich mystischen Handlungen ist: Da hat einer an die Geschichte erinnert, ist vielleicht noch einmal auf den Kraterrand geklettert und hat ein bisschen Hokuspokus gemacht.

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